Forschungsprojekte zur Unterstützung der Medizin und des Gesundheitsbereichs auf dem Gebiet der Diagnose
DVAT (Dynamic Visual Acuity Testing)
Es wurde ein Prototyp zur quantitativ reproduzierbaren Testung des vestibookulären Reflexes entwickelt. Dieser Hirnstammreflex bewirkt eine Kompensationsbewegung der Augen bei schnellen Kopfdrehungen. Vestibuläre Störungen (Schwindelsymptome), beispielsweise infolge eines Schädel-Hirn-Traumas oder einer entzündlichen Erkrankung des Gleichgewichtsorgans, sind als verminderte Sehschärfe (Visual Acuity) messbar, die bei bewegtem Kopf, im Übrigen aber klassisch (beispielsweise mittels Sehzeichenprojektor) ermittelt wird.
Für die Zuverlässigkeit des Testergebnisses ist entscheidend, dass das zu erkennende Sehzeichen nur in einem vorbestimmten Drehgeschwindigkeitsbereich präsentiert wird. Herkömmliche Untersuchungsverfahren beruhen auf einer Kopfdrehung des Patienten nach Anweisung durch den Untersucher und sind damit nur eingeschränkt reproduzierbar. Der neu entwickelte Prototyp misst die Drehgeschwindigkeit des Patientenkopfes und präsentiert Sehzeichen (zufällig ausgewählte Landoltringe) nur dann, wenn der vorbestimmte Drehgeschwindigkeitsbereich erreicht ist. Durch systematische Variation der dargebotenen Sehzeichengröße wird der Einfluss der Kopfdrehbewegung auf die Sehschärfe reproduzierbar ermittelt.
Kooperation:
Universitätsklinikum Regensburg, Abteilung Audiologie der HNO-Klinik
Gerätesoftware & Signalverarbeitung, Leitung Prof. Dr. Axel Doering
Robotic Scene Segmentation
Bei der „Robotic Scene Segmentation“ werden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz medizinisch relevante Objekte in endoskopischen Videos detektiert. Bei einem Chirurgieroboter können solche Objekte z.B. die Instrumente eines Roboters (Manipulator, Gelenk, Schaft), anatomische Objekte (Niere, Darm, …) oder medizinisches Material (Nadeln, Fäden, Klammern, …) sein. Die Erkennung und Unterscheidung der Objekte erfolgt durch eine sogenannte „semantische Segmentierung“, das heißt jeder Stelle im Bild wird eine Objektkategorie zugewiesen. Dadurch ist nach Anwendung automatisierten Analyse bekannt, wo sich welche Objekte im Bild befinden.
Die semantische Segmentierung basiert auf einem tiefen Neuronalen Netz (engl. deep learning) in Form einer Encoder-Decoder Architektur. Bei dieser Art von Netzen werden zunächst markante und für die Aufgabe essentielle Merkmale mit Hilfe des Encoders aus dem Eingabebild extrahiert. Die daraus resultierende kodierte Repräsentation des Bildes wird dann wiederum durch den Decoder in ein Maskenbild umgewandelt. Dieses Maskenbild gibt für jede Stelle im Eingabebild die dazugehörige Objektkategorie an.
ReMIC, Leitung Prof. Dr. Christoph Palm
Barrett`s Esophagus – Deep Learning zur computerunterstützten Früherkennung von Speiseröhrenkrebs aus endoskopischen Bildern
Als Reflux bezeichnet man eine Entzündung der Speiseröhre, die durch einen gesteigerten Rückfluss von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre (Ösophagus) entsteht. Chronischer Reflux ist die Hauptursache für den Barrett-Ösophagus, eine Läsion der Schleimhaut mit erhöhtem Risiko der Ausbildung von Speiseröhrenkrebs. Die Überlebenschancen von betroffenen Patienten gelten als schlecht, da die Erkrankung meist erst im späten Stadium diagnostiziert wird. Ist eine medikamentöse Standardbehandlung des Refluxes nicht erfolgreich, kann eine endoskopische Untersuchung indiziert sein, um möglichst frühzeitig therapierbare Symptome aufzudecken. Diese ist allerdings nicht unproblematisch, da viele Reflux Patienten endoskopisch-negativ sind, d.h. Schleimhautläsionen trotz vorliegender Erkrankung nicht sichtbar sind (geringe Sensitivität der Untersuchung). Die Signifikanz im Falle eines pathologischen Befunds ist dagegen relativ hoch (hohe Spezifität der Untersuchung).
Bei den bildgebenden Verfahren der Diagnostik kommen zunehmend Methoden des Maschinellen Lernens zum Einsatz. Mit Hilfe von Deep Learning Ansätzen soll der Arzt dabei unterstützt werden, Reflux bedingte Schleimhautschädigungen, insbesondere (prä-)kanzerogene Läsionen, bei der Begutachtung endoskopischer Bilder zuverlässig zu erkennen. Aufgrund der maschinellen Auswertung der endoskopischen Bilder sollen Rückschlüsse auf die Ausprägung einer möglichen Erkrankung gezogen werden. Durch Einsatz von Deep Learning konnte in den letzten Jahren mehrfach eine Qualität bei der diagnostischen Auswertung medizinischer Bilder erreicht werden, die den ärztlichen „Goldstandard“ nicht nur erreicht, sondern sogar übertrifft. Damit begegnen sich Arzt und Rechner auf Augenhöhe, so dass z.B. künftig der Computer zumindest als Zweitgutachter etabliert werden könnte.
Kooperation:
Labor für Technikfolgenabschätzung und angewandte Ethik (OTH Regensburg)
Universitätsklinikum Augsburg, III. Medizinische Klinik
São Paulo State University, Brazil
ReMIC, Leitung Prof. Dr. Christoph Palm